Praxisurlaub – wenn die Ferienplanung zum Drahtseilakt wird

01.05.2025

Die Urlaubsplanung ist für viele ein rotes Tuch: alle Wünsche des Teams und die arbeitsrechtlichen Vorgaben unter einen Hut zu bekommen ist nicht nur für Praxisinhaber ein wiederkehrender Drahtseilakt.


Spätestens am Ende des ersten Quartals sollte sie stehen: die Urlaubsplanung für ein ganzes Jahr. 

Häufig ergeben sich hier Konfliktsituationen im Team, z. B. zwischen Medizinischen Fachangestellten (MFA) mit schulpflichtigen Kindern und denen ohne Kinder. Das Arbeitsrecht gibt einige Regeln vor, die Praxisinhabern die Entscheidung erleichtern, wer wann Urlaub machen darf und unterm Strich für eine gerechte Verteilung sorgen. Die Mitglieder der meditaxa Group e. V. klären auf:


Woher weiß ich, wie viele Urlaubstage meine MFA haben?

Zunächst sollten die Urlaubstage im individuellen Arbeitsvertrag konkret geregelt sein. Bei MFA kann auch der Manteltarifvertrag für MFA die Anzahl der Urlaubstage vorgeben (29 Tage und für MFA ab 55 Jahren 31 Tage), wenn er über eine Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Ansonsten gilt das Bundesurlaubsgesetz (BurlG), das als Mindesturlaub 24 Werktage pro Jahr bei einer Sechs-Tage-Woche vorschreibt. Bei einer Fünf-Tage-Woche muss der Urlaubsanspruch entsprechend heruntergerechnet werden und ergibt 20 Tage pro Jahr. Schwerbehinderte Menschen und Jugendliche unter 18 Jahren erhalten per Gesetz mehr Urlaubstage.

Wie gestaltet sich der Urlaubsanspruch für Teilzeitmitarbeiter und bei Neueinstellungen?

Hier spielt die Aufteilung der Arbeitszeit und der Arbeitstage eine Rolle: Wer an fünf Tagen für vier Stunden zur Arbeit kommt, hat das Recht auf genauso viele Urlaubstage wie jemand, der an fünf Tagen acht Stunden arbeitet. Hingegen haben MFA, die nur an drei Tagen in der Woche in der Praxis sind, einen anteilig reduzierten Urlaubsanspruch. Bei einem gesetzlichen Urlaubsanspruch von 20 Tagen wären das entsprechend 12 Tage Urlaub.

Bevor der Anspruch auf den vollen Jahresurlaub besteht, müssen MFA, so wie in anderen Betrieben auch, die Wartezeit hinter sich bringen. Diese beträgt i. d. R. sechs Monate, wenn das Arbeitsverhältnis im ersten Halbjahr beginnt . Laut BurlG und Manteltarifvertrag für MFA haben MFA vor Ablauf der Probezeit Anspruch auf ein Zwölftel des Jahresurlaubs für jeden vollen Monat. Diese Regelung ist relevant, wenn jemand z. B. im letzten Quartal des Jahres eingestellt wird. Häufig wird allerdings im Arbeitsvertrag vereinbart, dass innerhalb der Wartezeit kein Urlaub genommen werden darf.

Muss der Urlaub generell schriftlich beantragt werden und kann dieser auch widerrufen werden?

Form und Frist eines Urlaubsantrags sind nicht an gesetzliche Vorgaben gebunden. Zwischen MFA und Praxisinhabern können mündliche Urlaubsabsprachen getroffen werden – zu Dokumentationszwecken ist hiervon allerdings abzuraten.
Die Entscheidung über den Urlaubsantrag treffen allein die Praxisinhaber. Ist der Urlaub einmal genehmigt, lässt sich das nur schwer zurücknehmen. Krankheiten oder personelle Engpässe berechtigen Arbeitgeber nicht dazu, Mitarbeiter aus dem Urlaub in die Praxis zu zitieren.

Welche besonderen Ereignisse rechtfertigen Sonderurlaub?

Eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Gehalts nach §616 BGB steht Mitarbeitern z. B. für die Geburt des eigenen Kindes, die eigene Hochzeit oder die Beerdigung eines nahen Verwandten zu. Es gibt für diese Freistellung zwar keine konkrete Regelung, das Bundesarbeitsgericht hat aber bereits 1973 entschieden, dass es z. B. für die Goldene Hochzeit der Eltern Sonderurlaub gibt. Detailliertere Regelungen finden sich im Manteltarifvertrag für MFA, wenn er auf das Arbeitsverhältnis anwendbar ist – hier gibt es beispielsweise auch freie Tage für Dienstjubiläen.

Wie entscheiden Praxisinhaber wer wann frei bekommt?

Wenn Brückentage anstehen oder die Ferien nahen und mehrere Mitarbeiter gleichzeitig in den Urlaub möchten, kann es schon vor der Sommersaison hitzig werden. Das BurlG sieht vor, dass Arbeitgeber die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen – Urlaubsanträge dürfen nur abgelehnt werden, wenn im Einzelfall dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. Hier wird häufig nach sozialen Aspekten entschieden:

  • Schulpflichtige Kinder
  • Handhabung des Urlaubs in der Vergangenheit
  • Vergangene Arbeitsbelastung der einzelnen Personen
  • Krankheit
  • Urlaub der Lebens-/Ehepartner

Praxisinhaber müssen selbst unter sozialen Gesichtspunkten faire Ermessensentscheidungen treffen: Auch wenn Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern bei der Urlaubsplanung an Ferienzeiten gebunden sind, bedeutet das nicht, dass Kinderlose konsequent das Nachsehen haben müssen. Sind deren Ehe- oder Lebenspartner beruflich an Ferienzeiten gebunden (z. B. Lehrer), kann der Urlaub zu Gunsten kinderloser MFA genehmigt werden. Vor allem dann, wenn deren Urlaubswünsche in der Vergangenheit oft nicht berücksichtigt wurden.

Wenn Resturlaub besteht, darf dieser ins neue Jahr mitgenommen werden?

Mitarbeiter sollten grundsätzlich den gesamten Urlaub im laufenden Kalenderjahr nehmen. Ist das aus betrieblichen oder persönlichen Gründen nicht möglich, kann der Urlaub u. U. auch im neuen Jahr genommen werden. Ist das der Fall, müssen Praxisinhaber betroffene Mitarbeiter rechtzeitig schriftlich – das ist auch per E-Mail möglich – auf den Verfall des Resturlaubs zum 31. März hinweisen.

Müssen Tage nachgewährt werden, wenn Mitarbeiter im Urlaub krank sind?

Da eine Anrechnung von Krankentagen auf Urlaubstage nicht erlaubt ist – der Urlaub dient der Erholung und damit dem Erhalt der Arbeitskraft – müssen die entsprechenden Urlaubstage im Krankheitsfall nachgewährt werden. Das ist allerdings nur möglich, wenn erkrankte Mitarbeiter ihre Arbeitnehmer unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit informieren und bereits ab dem ersten Krankheitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorlegen.

HINWEIS

Hegen Arbeitgeber Zweifel an einer AU, die Mitarbeiter
unmittelbar vor, während oder nach ihrer Urlaubszeit vor­legen, kann der Beweiswert einer AU auch erschüttert werden.
Alles Wichtige hierzu lesen Sie auf Seite 25 im E-Paper oder hier.

An Brückentagen frei – Anspruch oder Wunschdenken?

Wer an Brückentagen frei machen möchte, muss einen Urlaubsantrag stellen. Da es auf Brückentage keinen rechtlichen Anspruch gibt, gelten hier die allgemeinen Regelungen zur Verteilung des Urlaubs aus dem BUrlG: Arbeitgeber müssen die Urlaubswünsche der Arbeitnehmer berücksichtigen, sofern diesen keine betrieblichen Belange oder vorrangige Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen. 

Einen oder mehrere Brückentage im Rahmen der Betriebsferien anzuordnen ist Praxisinhabern erlaubt. Hierfür können sowohl dringende betriebliche Belange vorliegen, z. B. eine ärztliche Weiterbildung an einem verlängerten Wochenende, als auch die eigene Urlaubsplanung und die damit einhergehende Abwesenheit von Ärzten in der Praxis.

Können Praxisinhaber über die Planung des Praxisurlaubs bestimmen?

Grundsätzlich können Praxisinhaber den Praxisurlaub im Sinne von Betriebsferien anordnen. Doch auch hier sind die Urlaubswünsche der Mitarbeiter zu berücksichtigen. Über zwei Fünftel des Jahresurlaubs dürfen Mitarbeiter selbst bestimmen, wann sie diesen nehmen möchten.

Allen Urlaubswünschen gerecht zu werden, gestaltet sich häufig schwierig. Die Orientierung an den Regelungen des BUrLG hilft zwar die rechtlichen Aspekte zu berücksichtigen, wenn es allerdings um persönliche Fairness geht, kann die Urlaubsgewährung schon mal zur Ermessensentscheidung werden. In jedem Fall sollte Organisatorisches wie das Einreichen und Genehmigen von Urlaubsanträgen sowie die Aufklärung über den Verfall von Resturlaub als Beweismittel im Fall von Konfliktsituationen schriftlich erfolgen. So kann man sich dann im Urlaub entspannt zurücklehnen.

meditaxa Redaktion, Quelle: FG Münster, Urt. v. 25.06.2024 – 14 K 1085/23 E

* Den vollständigen Umfang der Nachweispflicht können Sie in § 2 NachwG nachlesen. Die Regelung ist im Internet abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet.de/nachwg/__2.html