LEBEN 18 meditaxa 102 | August 2022 Weit gereist Einen wenig schmeichel- ha en Spitznamen haben wir da: „Kartoff el“ nennen Fremdsprachige uns Deut- sche und es erweckt den Eindruck, als würden wir nichts anderes tun, als dieses erdige Produkt anzu- bauen und zu verkonsumieren. Wenn es nur ö er so wäre, denn ge- rade Kartoff eln und andere Grund- nahrungsmittel sind weiter herum- gekommen als manche Esser. Aus dem rund 2000 Kilometer entfern- ten Ägypten werden die Knollen bisweilen importiert und wer nicht genau hinschaut, hat mit dem Einkauf von Mehl, Tomaten, Erdbeeren, Kiwis und Äpfeln mehr Flugmeilen gesammelt als manche Geschä sreisende. „Regionale Pro- dukte einkaufen“ klingt da an, aber wie geht das ganz praktisch? Einmal, in dem man schlicht auf das Etikett achtet oder auf das Siegel „Regionalfenster“. In diesem blau-weißen Feld können Hersteller die Herkun angeben. Wochenmärkte, Bio- oder Hofl äden, solidarische Landwirtscha en oder eine Biokiste, die geliefert wird, sind meist ein Garant für kurze Wege zwischen Produktion und Verkauf. Generell sollte man Lebensmittel so unverarbeitet wie möglich kaufen, alles was bereits zusammengestellt, verrührt, aufgeschlagen oder ein- gekocht wurde, hat den Weg zum Betrieb, von dort zum Ver- kauf und in die heimische Küche hinter sich. Wer Nähe will, legt einen Nutzgarten an, sei er noch so klein; selbst auf Bal- kon und Fensterbrett kann gepfl anzt und geerntet werden. Eine junge Generation, der gesunde Ernährung und Klima- schutz wichtig ist, hat dem Ackern in den eigenen (Kartoff el-) Beeten bereits ein neues, besseres Image verpasst – wer weiß, vielleicht wird aus unserem Spitznamen bald ein Kompliment. INFO www.bzfe.de, Stichwort „Regional einkaufen“ www.regioapp.org – die App bietet eine Umkreissuche für „regional Einkaufen“ (Verkaufsstellen) und „regional Essen“ (Restaurants) Terve, zdravo und bom dia Ungefähr 50 Staaten und fast ebenso viele Sprachen: die Rede ist von Europa, was dem griechischen Ursprung nach etwa so viel bedeutet wie „die mit der weiten Sicht“. Sollten wir Europäer wirklich mehr Weitblick haben? Eine Möglichkeit, über den Tellerrand hinauszuschauen wäre zum Beispiel, die Sprache des Nachbarn zu lernen – oder auch des übernächs- ten Nachbarn. Neben dem allgegenwärtigen Englisch kann es spannend sein, sich mit typischen Urlaubsfl oskeln in Spanisch oder Italienisch zu beschä igen. Oder wieso sich nicht einmal „Exotisches“ wie Ungarisch oder Schwedisch aneignen? Wenn man weiß, welche individuelle Lernmethodik für einen passt, hat man die Wahl zwischen App, Sprachlernbuch, Fern- kurs oder dem klassischen Angebot der Volkshochschulen. Letzteres wirkt mit dem Schulklassen-Lehrer-Prinzip mög- licherweise etwas antiquiert, ist aber nicht zu unterschätzen, was Gemeinscha serlebnis und Erfahrung angeht. In grenz- nahen Gebieten Deutschlands werden o Kurse, Exkursionen und Programme über Landesgrenzen hinweg angeboten und fördern somit auch den kulturellen Austausch. Denn eine Sprache lernen bedeutet nicht, einfach nur Vokabeln zu pau- ken, sondern die Menschen, die Geschichte ihres Landes und ihre Gepfl ogenheiten besser kennenzulernen. Dass das berei- chernd sein kann und den Horizont erweitert, ahnt man bei einem schönen Glas Wein im Elsass oder einem süffi gen Bier in Lüttich, beim Radfahren in Nijmegen oder Strandspazier- gang auf Rømø, beim Flanieren durch Stettin oder Karlsbad. Da geht einem die Fremd- sprache gleich viel leichter über die Lip- pen und man versteht, was das heißt: europäischen Weitblick zu haben.